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Welt:Stadt:Gezwitscher

PerspektivWechsel:
Eine Methode zum gegenseitigen Verstehen

Wenn unterschiedliche Partner miteinander kooperieren, entstehen neue Ideen – aber auch Konflikte. Dr. Anika Duveneck – Mitglied des Instituts Welt:Stadt:Quartier – hat gemeinsam mit Karina Schlingensiepen-Trint und Stefanie Schmachtel ein Werkzeug entwickelt, das Mitwirkende in multiprofessionellen Netzwerken dabei helfen kann, die Sicht des und der anderen zu verstehen – und damit als Netzwerk konstruktiver zusammenzuarbeiten. Im Interview mit Welt:Stadt:Gezwitscher stellt sie das Werkzeug mit dem Titel ‚PerspektivWechsel‘ vor.

Aus welchem Grund habt ihr die Methode PerspektivWechsel entwickelt?

Wir – das sind Karina Schlingensiepen-Trint, Stefanie Schmachtel und ich – arbeiten alle schon lange zu Bildungslandschaften und haben festgestellt, dass es in der Praxis immer wieder zu Konflikten kommt, auch wenn alle zusammenarbeiten wollen und gemeinsame Ziele verfolgen. Verschiedene Perspektiven haben nämlich ein großes Potenzial für innovative Bildung, aber auch für Konflikte.

Inzwischen wissen wir, dass es ein gegenseitiges Verständnis von den verschiedenen Handlungsfeldern wie Schule, Jugendarbeit, Verwaltung etc. braucht, um die Unterschiede der jeweiligen professionellen Perspektiven fachlich einordnen und damit fruchtbar machen zu können. Sie haben alle eigene Handlungslogiken, die Problemwahrnehmungen, Sprache und Handlungsmöglichkeiten prägen. Wenn das Verständnis fehlt, werden Unterschiede schnell als Abkehr vom gemeinsamen Ziel wegen falscher Haltung ausgelegt und es kommt zu Konflikten zwischen den Beteiligten. Und Verständnis fehlt meistens in einem Bildungssystem, das über Jahrzehnte hinweg durch getrennte Zuständigkeiten geprägt war.

Hier wollten wir mit der Entwicklung der PerspektivWechsel-Methode Abhilfe schaffen und einen Beitrag zu Voraussetzungen leisten, um die Chancen, die sich derzeit durch Zusammenarbeit eröffnen, auch zu nutzen.

Was ist der Kern der Methode PerspektivWechsel?

Die Methode basiert auf dem Konzept „Relational Agency“, das die Fähigkeit beschreibt, verschiedene Perspektiven in der gemeinsamen Bearbeitung komplexer Probleme füreinander fruchtbar zu machen und dabei stark auf Wissen übereinander abhebt. Wir haben in dem wissenschaftlichen Konzept einen großen Praxisnutzen erkannt und uns schon lange gefragt, wie wir den erschließen können. Gelungen ist uns das mit Praxiskolleg*innen aus dem Dialogforum Bildungslandschaften NRW – einem Zusammenschluss von Trägern der Kinder- und Jugendarbeit in NRW mit Politik, Verwaltung, DKBM und Wissenschaft –, mit denen wir den Ansatz in eine Methode für multiperspektivische Fachtage überführt haben.

Kern der Methode ist ein Rollenspiel, in dem die Teilnehmenden gemeinsam fiktionale, aber typische Szenarien der Zusammenarbeit in vertauschten Rollen bearbeiten. Eine Schulleitung spielt etwa eine Sozialarbeiterin, jemand aus der Jugendpflege vertritt das Bildungsmanagement usw. Die Methode regt zum einen eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Wissen über andere Handlungsfelder an. Zum anderen macht sie erlebbar, dass die eigene Perspektive nicht das Maß aller Dinge ist, sondern so spezifisch wie alle anderen. Und dass es eine Trennung von Person und Funktion gibt, also dass mit einer anderen fachlichen Perspektive andere professionelle Positionen und Rahmenbedingungen einhergehen, unabhängig von der eigenen Person und Haltung.

Wo habt ihr sie schon einmal eingesetzt, und wie war die Resonanz?

Entwickelt haben wir die Methode 2019 für den Fachtag „Zukunftsperspektiven jugendorientierter Bildungslandschaften“ des Dialogforums. Die Veranstaltung war mit über hundert Teilnehmenden gut besucht. Die Resonanz auf die Methode war noch positiver als erhofft und das Interesse an der Arbeit damit so groß, dass wir entschieden haben, in einem nächsten Schritt einen Leitfaden zum Einsatz auf eigenen Fachveranstaltungen zu machen.

In welchen Bereichen könnte man die Methode noch einsetzen?

Die PerspektivWechsel-Methode kann überall eingesetzt werden, wo es um die Gestaltung von Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bildungsbereichen geht: im Rahmen von kommunalen Bildungslandschaften, Ganztag, Bildungsnetzwerken usw.

Besonders geeignet ist sie für koordinierende Kräfte, die die Gestaltung von Zusammenarbeit unterstützen. Sie haben nicht nur Bedarf nach solchen Ansätzen und führen ohnehin Fachtage durch, sondern sie haben auch einen Abstand zum konkreten Geschehen vor Ort, der Raum für fruchtbare Lernprozesse öffnen kann.

Einen Bedarf nach Perspektivwechsel gibt es aber sicher in vielen Bereichen, nicht nur im Bildungsbereich. Wir sind gespannt, wo sie noch eingesetzt wird, und wollen die Erfahrungen einholen, um den PerspektivWechsel erfahrungsbasiert fortzuschreiben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Der Leitfaden zum PerspektivWechsel kann hier… heruntergeladen werden.