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Welt:Stadt:Quartier gratuliert: AG Nordstadt aus Hildesheim erhält den Deutschen Kita-Preis 2023 in der Bündnis-Kategorie

Welt:Stadt:Quartier als Gutachter im Bewerbungsprozess

Gestern wurde in Berlin im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung der Deutsche Kita-Preis 2023 in den Kategorien „Bündnis für frühe Bildung des Jahres“ und „Kita des Jahres“ vergeben. Das ausgezeichnete Bündnis AG Nordstadt darf sich nun über ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro freuen.

Unser Institut hat – gemeinsam mit Coach Stefan Clotz – die Bewerbungen der Bündnis-Kategorie von Beginn an begutachtet: Im ersten Schritt wurden alle Bewerbungen gesichtet und eine Vorauswahl festgelegt. Anschließend haben wir Interviews mit allen Bündnissen in der engeren Wahl geführt. Die letzte Phase der Begutachtung waren Vor-Ort-Besuche bei den Finalisten. Hier fanden zahlreiche Gesprächen mit den beteiligten Akteuren – Kitaleiter:innen, Kita-Fachkräfte, Vertreter:innen aus der Kommune, Bündniskoordinator:innen, Bündnispartner und Eltern – und ein gemeinsamer Workshop statt. Auf dieser Basis entstanden ausführliche Gutachten, die der Jury des Kitapreises als Entscheidungs-grundlage dienten.

Durch die Nordstadt muss ein Ruck gehen: So der Eindruck, den wir bei der Analyse der Bewerbung bekommen haben. Das Bündnis ist in einem Stadtviertel mit einer Kinderarmutsquote von über 60 % angesiedelt. 2017 erhielten nur 51 % der Kinder im schulfähigen Alter eine ärztliche Ein-schulungsempfehlung. Daraufhin wurde die Stadtverwaltung aktiv und initiierte die Gründung der AG Nordstadt. Seitdem wird die Arbeit in den Kitas, aber auch die Zusammenarbeit mit den Eltern, qualitativ weiterentwickelt und mit vielen Angeboten ergänzt. 

Bei der AG Nordstadt hat uns besonders überzeugt, mit welch großer Kraft die Akteure vor Ort die Herausforderungen angehen. Das Bündnis ist professionell aufgestellt und nimmt die Herausforderungen aktiv an. Beim Interview wurde deutlich, dass der Sozialdezernent der Stadt aktiven politischen Rückenwind gegeben hat – so hat das Bündnis eine langfristige Perspektive.

Die Bündnis-Kategorie zeigt, wie wichtig es ist, dass Kitas in ihrem lokalen Umfeld von Partnern unterstützt werden – im Sinne der Bildungschancen der Kinder. Wie es kürzlich in der ‚Zeit‘ formuliert wurde: Kitas brauchen Anschwung. Die lokalen Bündnisse bieten diesen Anschwung und helfen so mit, dass Kinder ihren Horizont erweitern und vielfältige Erfahrungen machen können.

Der Deutsche Kita-Preis hat das Ziel, herausragende Qualität im Bereich der frühkindlichen Bildung auszuzeichnen und bundesweit bekannt zu machen. Ausschlaggebend sind die Qualitätskriterien Kindorientierung, Partizipation, Sozialraumorientierung und Lernen im Prozess. Das Bundesfamilienministerium und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung verliehen den Preis, der mit insgesamt 130.000 Euro dotiert ist, zusammen mit weiteren Partnern in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal.

Eine bildungspolitischer Kommentar von Peter Bleckmann zum Kitapreis 2023 in der Bündnis-Kategorie

Es ist ein terminlicher Zufall, dass die Veröffentlichung der Ergebnisse der IGLU-Studie und die Verleihung des Deutschen Kita-Preises auf einen Tag fallen. Auf den ersten Blick könnte die Stimmung nicht gegensätzlicher sein: Frust und lange Gesichter angesichts des desaströsen Befunds zur Lesekompetenz von Grundschüler:innen, ausgelassene Freude bei den Preisträger:innen des Deutschen Kita-Preises. Aber es gibt einen inhaltlichen Zusammenhang: Die Preisträger des Deutschen Kita-Preises zeigen auf, was in den frühen Jahren passieren kann, damit Kinder eine gute Grundlage erhalten, um später einen erfolgreichen Bildungsweg absolvieren zu können.

Beispiel Hildesheim: Der diesjährige Preisträger in der Kategorie „Bündnis für frühe Bildung des Jahres“, die AG Nordstadt, macht es vor: Nach den Sozialdaten eines der vielen abgehängten Quartiere der Republik mit hoher Kinderarmut. Hier bahnte sich eine lokale Bildungskatastrophe an, weil gerade einmal jedes zweite Kind im Alter von 6 Jahren bei der Schuleingangsuntersuchung als schulfähig eingestuft wurde. Infolgedessen hat ein engagierter Sozialdezernent entschieden, diese Situation nicht akzeptieren zu wollen, und die AG Nordstadt ins Leben gerufen. Dort arbeiten jetzt die unterschiedlichen Fachkräfte und -dienste zusammen daran, Familien früh zu erreichen und Kinder früh zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen, wurden 76 ausgewählt und umgesetzt. Dazu zählen die Qualifizierung der Fachkräfte mit der Methode „Early Excellence“, Lernwerkstätten, Musikalisierungsangebote, Bewegungsangebote und ein gesundes Frühstück. Es ist nicht das eine Angebot, das zählt, sondern die Systematik und Entschlossenheit, auf die Probleme wirklich reagieren zu wollen, die den entscheidenden Unterschied machen. Dazu bestehen hier der klare kommunalpolitische Wille und Rückhalt.

Auch in Gelsenkirchen kann sich das Netzwerk „ZuSi – Zukunft früh sichern“ über einen Preis als Zweitplatziertes Bündnis freuen. Auch hier liegt der Fokus in einem besonders von Kinderarmut betroffenen Gebiet. Mit wissenschaftlicher Unterstützung vom Institut für Sozialpädagogik und Soziale Arbeit ist hier ein Konzept des armutssensiblen Handelns in Kindertageseinrichtungen entstanden. Kernbestandteil der Konzeption ist das Verständnis für die Lebenslagen der Kinder und der Familien und das Aufspüren der Talente der Kinder, die systematisch gefördert werden. Um das, was die Kinder gut können und gern tun, weiter zu unterstützen, entstehen z.B. Theaterworkshops, Kunstateliers und Sportangebote.

Die beiden Beispiele zeigen, was nötig wäre, um die nächste schockierende Bildungsstudie zu vermeiden:

1) Stärkung der frühen Bildung
2) Besonders in Quartieren mit besonderen Risikolagen
3) Klarer politischer Wille
4) Kooperation und Vernetzung im Sozialraum

Wir sind froh und und auch ein bisschen stolz, dass unser Institut den Prozess der Begutachtung der Bündnisse, begleiten durften und somit für die Ziele und Visionen des Kita-Preises einstehen konnten. Wir gratulieren den Gewinnern – und besonders dem ausgezeichneten Kita-Bündnis AG Nordstadt – ganz herzlich!