Aktuelles

Welt:Stadt:Gezwitscher

„Kita als umkämpftes Feld: Selektionsprozesse beim Zugang in die Kita“ – Resümee zur NaDiRa-Diskussion im DeZIM-Institut Anfang Februar

Vielen Dank, Dr. Seyran Bostancı und dem DEZIM für eine Veranstaltung zu einem wichtigen Thema, das Anfang Februar im diskutiert wurde: Selektionsprozesse beim Zugang zur Kita.

In ihrer Keynote verdeutlichte Bostancı auf Grundlage ihrer Studienergebnisse den strukturellen Rassismus, der sich in einem extrem ungleichen Zugang zur Kita ausdrückt: Kita-Plätze sind insgesamt sehr knapp, aber Familien mit Migrationsgeschichte haben deutlich schlechtere Chancen, einen Platz zu bekommen. Daher ist bei ihnen die Lücke zwischen Bedarf und Versorgungsgrad besonders hoch.

Dr. Mohini Lokhande (Sachverständigenrat für Integration und Migration gGmbH) verdeutlichte ergänzend, dass Studien zeigen, dass in Kitas mit einem hohen Anteil von Kindern ’nicht deutscher Herkunftssprache‘ zusätzlich die Prozessqualität geringer ist als im Durchschnitt. Bostancı und Lokhande plädierten zudem dafür, die Intersektion zwischen den Themen Armut / sozio-ökonomischem Status und rassistischer Diskriminierung konsequent im Blick zu behalten, weil die Zahlen zeigen, dass beide Faktoren jeweils für sich benachteiligend wirken, sich aber auch wechselseitig verstärken können.

Petra Wagner vom Institut ‚Kinderwelten‘ kritisierte, dass Zeiten für Reflexion von vielen Kita-Fachkräften als Luxus wahrgenommen werde: ‚Reflexion darf kein Luxus sein‘, so ihre dringende Forderung.

Aida Kiflu, Kita-Leiterin aus Stuttgart, erläuterte die schwierige Situation des Platz-Zugangs aus Kita-Sicht: Das von der Stadt geschaltete Online-Portal, über das alle Anmeldungen erfolgen sollen, ist so kompliziert, dass sie eine Stunde gebraucht habe, um es mit einer Familie auszufüllen. Nach ihrer Erfahrung sei auch die Bereitschaft von Kita-Trägern und Fachkräften, sich mit Rassismus auseinander zu setzen, nicht sehr ausgeprägt.

Nora Damme (BMFSFJ) wies auf die hohe Dynamik im Feld der frühen Bildung hin: Mit 800.000 Beschäftigten seien hier mehr Menschen tätig als in der Automobilindustrie. Sie verdeutlichte zudem die positiven Erfahrungen des Bundesprogramms Sprach-Kitas, bei dem ganz auf alltagsintegrierte Sprachbildung gesetzt wurde. Susanne Blasberg-Banse (Stadt Hannover) erklärte, dass das Thema Zugangsbarrieren auch im Zusammenhang mit städtischer Segregation betrachtet werden müsse. Hier sei ein integrierter Ansatz notwendig, der weit über den Bildungsbereich hinaus gehe. Wichtig sei es, stadtplanerisch früh anzusetzen und insbesondere bei neu entstehenden Quartieren in einer wachsenden Stadt die Weichen so zu stellen, dass sich Menschen mit unterschiedlichen sozio-ökonomischen Hintergründen ansiedeln.

Deutlich wurde auch, dass es keinen einzelnen und einfachen Lösungsweg gibt: zu viele Akteure sind beteiligt, und an zu vielen Stellen sind diskriminierende Mechanismen am Werk, die häufig den handelnden Akteuren auch gar nicht bewusst und nicht immer von ihnen intendiert sind. Um Veränderungen zu erreichen, sind viele Schritte nötig – bottom-up Initiativen von Betroffenen, Forschung und politische Arbeit. In dem Sinne war die Veranstaltung ein sehr wesentlicher Schritt, das Thema zu platzieren: viele weitere müssen folgen.

Mit dem Thema „Frühkindliche Bildung: Zugang zur Kita für neu zugewanderte Kinder“ befassten wir uns auch in einer Studie für das International Rescue Committee. Eine Kurzfassung dazu ist unter folgendem Download-Link einzusehen.